Wie gehen's Burschenschafter an?
8. März 2011
Fundstück: blauenarzisse.de Autor: Adrien Marius Volkmann
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Wie gehen's Burschenschafter an?
Burschenschaften und Protest sind auf den ersten Blick zwei Themen, die nicht zusammenpassen. Hartnäckig halten sich in den Köpfen Vorurteile vom saturierten, erzkonservativen Karrieristen, dem nichts ferner läge als seinen bereits vorgewärmten Chefsessel durch aufmüpfigen Protest aufs Spiel zu setzen. Dabei entstammt die Burschenschaft einer jugendlichen Protestbewegung von enttäuschten Studenten, die sich nach dem Sieg über Napoleon von den Landesfürsten mehr Zugeständnisse an die Freiheit und demokratische Teilhabe an einem gesamtdeutschen Nationalstaat erhofft hatten.
Beim Wartburgfest, dem Sturm auf die Frankfurter Wache und die rege Beteiligung an der Revolution von 1848 legten Burschenschafter beständig Zeugnis von ihrem Protestwillen ab. Durch die ruhige Zeit des Kaiserreiches wandelte sich die Haltung, da viele Burschenschafter ihre Ziele erreicht sahen. Die Burschenschaften waren in öffentlicher Meinung und Selbstverständnis in den folgenden Jahrzehnten konservativ und gleichzeitig wandelte sich das Protestbild.
Die Gescheitelten gegen die Langhaarigen
Ab dem Ende der 60er Jahre assoziierte man mit Protestbewegungen zunehmend die Erscheinung des linksalternativen Schmuddeljungen mit der „Bombenlegerfrisur“. In Kontrast dazu musste der adrett frisierte Burschenschafter wie die personifizierte Reaktion erscheinen. Seit den letzten Jahren aber, seit jene Linksalternativen weitgehend meinungsbildnerische Autonomie errangen, gelten die Ideale von Ehre, Freiheit und Vaterland, die die Burschenschaft vertritt, zunehmend als anrüchig, vielleicht sogar rechts, in jedem Falle aber als unerhört.
Wer mit Band und Mütze durch die Stadt bummelt, reiht sich nicht ein in die gleichgeschalteten Massen der scheinbar Nonkonformen, denn Farben tragen heißt Farbe bekennen. Burschenschafter in Couleur waren bei dem Solidaritätsmarsch für die deutschen Soldaten in Afghanistan dabei um gegen die menschenverachtenden Plakate des „BamM“ zu protestieren, jedes Jahr gedenken die Marburger Burschenschaften den gefallenen Marburger Jägern in stillem Protest gegen die Denkmalschmierereien. Und in Stuttgart und anderen Unistädten sollen Burschenschafter Wegweiser in Richtung der deutschen Ostgebiete mit den Zahlen der jeweils dort Vertriebenen angebracht haben, um die Passanten an die grausigen Vertreibungen zu erinnern.
Protest auf andere Art: Nicht laut, sondern im besten Fall mittels positiver Wertebilder, die heute beinahe ausgestorben sind.
Trotzdem äußert sich der Protest der Burschenschafter heute zum großen Teil nicht auf der Straße, sondern auf geistiger Ebene. Durch Organisation von Vortragsabenden mit Referenten, die der Zeitgeist des Bionade-Biedermeier totschweigen will, durch Schaffung einer Gegenintelligenz und die Zurückdrängung der Nihilisten aus den Institutionen.
Letztlich auch und besonders durch das Vorleben einer Wertegemeinschaft über die Generationenschranke hinweg, was in unserer egoliberalen Zeit vielen völlig unverständlich erscheint. Diese Zeilen haben womöglich einen anderen Grundton als die Berichte über Proteste der Gegner von Stuttgart21, Kern- und Kohlekraftwerken. Burschenschafter wollen keine „Wutbürger“ sein, die ihrem Unmut mit einem stumpfsinnig proklamierten „Dagegen“ Luft verschaffen.
Diese Menschen äußern Protest, indem sie – im Optimalfall – einer in moralineskem Zaudern erstarrten Gesellschaft ihre eigenen positiven Wertebilder entgegenhalten. Dies ist konstruktiver Protest, der letztlich viel weiter geht und mehr erfordert, als nur mit einer empörten Masse zum Takt der Trillerpfeifen zu gröhlen. So muß auch ein Essayist der Wochenzeitung Die Zeit einräumen: „Letztlich sind die Burschenschafter in ihrer Abgrenzung mutiger als jeder Punk.“
von Adrien Marius Volkmann
Donnerstag, den 03. März 2011
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